Gezielte Werbung bei Passanten

"Das gezielte individuelle Ansprechen von Passanten im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken stellt sich grundsätzlich, insbesondere wenn der Werbende als solcher nicht erkennbar ist, als wettbewerbswidrig dar." Zu dieser Beurteilung kam der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 1.4.2004.

Zur Begründung führt der BGH aus: Das Unlauterkeitsmoment der in Rede stehenden Werbeform liegt nicht nur und in erster Linie in der Überrumpelung und/oder Verstrickung der Kunden, sondern auch in der Belästigung des Angesprochenen an sich.

Es geht letztlich um die Wahrung der Individualsphäre der Umworbenen und um deren vor unzumutbaren Beeinträchtigungen zu schützende Freiheit, einem gewerblichen Angebot ihre Aufmerksamkeit zu schenken oder sich mit anderen Dingen zu befassen.

Nach Auffassung des BGH folgt auch aus dem gesetzlich vorgesehenen Widerrufsrecht nicht, dass die davon erfassten Formen des Direktvertriebs nicht wettbewerbswidrig sein könnten. Das Gewicht dieses Eingriffs in die Individualsphäre des Umworbenen ergibt sich nicht so sehr aus der einzelnen beanstandeten Werbemaßnahme, sondern aus der Gefahr, dass im Falle ihrer Zulassung zahlreiche Anbieter von dieser Werbemethode Gebrauch machen und dass dann auch solche Mitbewerber, die selbst dieser Art von Werbung nicht zuneigen, sich aus Wettbewerbsgründen zu ihrer Nachahmung gezwungen sehen können.

Gegenstand des zu überprüfenden Verbots war die Fallkonstellation, dass Passanten auf öffentlichen Straßen für sie überraschend angesprochen und genötigt werden, sich mit dem Angebot des Werbenden in irgendeiner Weise auseinander zu setzen. Fallkonstellationen, in denen sich die Passanten der Ansprache ohne weiteres entziehen können, sind dagegen nicht Gegenstand des ausgesprochenen Verbots. (BGH-Urt. v. 1.4.2004 I ZR 227/01)

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