Voller Vorsteuerabzug für gemischt genutztes Gebäude – (einschränkende) Stellungnahme der Finanzverwaltung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte bereits am 24.7.2003 das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8.5.2003 zur Umsatzsteuerpflicht der privaten Verwendung einer dem Unternehmen zugeordneten Wohnung bestätigt (siehe Beitrag Nr. 2, August 2003). Nach dieser Rechtsauffassung kann ein Unternehmer, der einen Teil eines Gebäudes zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze und die übrigen Räumlichkeiten für eigene Wohnzwecke nutzt, den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten geltend machen, wenn er das gesamte Gebäude seinem Unternehmen zuordnet. Bisher war ein Vorsteuerabzug für die eigengenutzte Wohnung nicht möglich. Die private Verwendung muss er im Gegenzug der Umsatzsteuer (USt.) unterwerfen. Die Finanzverwaltung hatte sich zunächst geweigert, die neuen Rechtsgrundsätze anzuwenden. Nun äußert sie sich gleich in drei Schreiben dazu. Die geänderte Rechtslage wird zwar akzeptiert, die Auslegung der Entscheidungen und deren Folgewirkung erfolgt jedoch sehr fiskalisch und wird sicherlich zu weiteren Meinungsverschiedenheiten mit der Finanzverwaltung führen.

  • Die Zuordnung eines Grundstücks zum Unternehmen ist beim Finanzamt zu erklären: Eine gemischte Nutzung liegt nur dann vor, wenn das Grundstück sowohl unternehmerisch als auch nicht unternehmerisch genutzt wird. Das gemischt genutzte Gebäude kann als einheitlicher Gegenstand dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden, wenn es zu mehr als 10 % für unternehmerische Zwecke genutzt wird. Da auch eine andere Entscheidung möglich ist, muss der Unternehmer in dieser Frage künftig eine ausdrückliche Zuordnung treffen.
    Für Grundstücke/Gebäude, die nach dem 30.6.2004 angeschafft, hergestellt oder ins Betriebsvermögen eingelegt werden, gilt die bisherige Unterstellung der Zuordnung zum unternehmerischen Bereich nicht mehr, sofern keine anders lautende schriftliche Erklärung abgegeben wurde. Will der Unternehmer das gesamte Grundstück dem Unternehmensvermögen zuordnen, um den vollen Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten in Anspruch nehmen zu können, sollte er den entsprechenden Vorsteuerabzug im Rahmen der USt-Voranmeldungen spätestens mit Abgabe der USt-Jahreserklärung für das Jahr, in dem die jeweilige Leistung bezogen worden ist, geltend machen. Kann aus dem Umfang der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nicht auf die Zuordnung zum Unternehmen geschlossen werden, muss sich der Unternehmer spätestens bis zur Abgabe der Umsatzsteuererklärung dazu äußern, ob und in welchem Umfang er das Gebäude dem Unternehmen zugeordnet hat.

  • Der Vorteil des zusätzlichen Vorsteuerabzugs für den selbstgenutzten Teil soll quasi auf zehn Jahre zurückzuzahlen sein: Die Nutzung des privaten Teils des Gebäudes ist als unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Bemessungsgrundlage sind die anteiligen zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigten Kosten z. B. für den laufenden Unterhalt sowie Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Was die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten betrifft, will die Finanzverwaltung nicht von den ertragsteuerlichen Grundsätzen (Nutzungsdauer 50 Jahre) – wie bisher angenommen – ausgehen, sondern auf den umsatzsteuerlich maßgeblichen Berichtigungszeitraum von zehn Jahren abstellen.

    Beispiel: Ein Unternehmer nutzt ein am 1.1.2002 für 200.000 Euro zuzüglich USt erworbenes Zweifamilienhaus je zur Hälfte für sein Unternehmen bzw. zu eigenen Wohnzwecken. Er beruft sich auf die Grundsätze des BFH-Urteils vom 24.7.2003 und macht den vollen Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten in Höhe von 32.000 Euro im Jahr 2002 geltend.
    Die Bemessungsgrundlage für die umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe beträgt ab 2002 – zehn Jahre lang – jährlich 1/10 der 50%igen Anschaffungskosten = 10.000 Euro. Die USt beträgt 16 % von 10.000 Euro = 1.600 Euro. Der finanzielle Vorteil aus dem Jahr 2002 ist folglich verteilt auf zehn Jahre wieder rückgängig gemacht worden.

  • Die Entnahme des Gebäudes soll der Besteuerung unterliegen: Entgegen der bisherigen Auffassung soll die Entnahme des Gebäudes unter der Voraussetzung, dass das Grundstück/Gebäude zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, nunmehr als unentgeltliche Wertabgabe der Besteuerung unterliegen.

Anmerkung: Diese Grundsätze finden auch für den Fall eines Arbeitszimmers im privaten Gebäude Anwendung. Der Eigennutzung gleichgestellt ist die unentgeltliche Überlassung an Dritte (z. B. an Kinder, Eltern etc.). Führt der unternehmerisch genutzte Teil nicht zum Vorsteuerabzug (z. B. bei einer steuerfreien Vermietung), soll auch für den privat genutzten Teil kein Vorsteuerabzug möglich sein. Alle noch offenen Veranlagungen können bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist geändert werden, um eine Berücksichtigung der neuen Rechtsauffassung zu erreichen. Eine Zuordnung des privat genutzten Teils zum Unternehmen sollte wegen der möglichen Konsequenzen gut überlegt sein und grundsätzlich in Absprache mit dem steuerlichen Berater erfolgen.


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