Rückwirkende Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre ist nach Auffassung des Bundesfinanzhofs verfassungswidrig

Nach der zur Zeit geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist der Gewinn aus der Veräußerung von Grundstücken des Privatvermögens steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Bis einschließlich 1998 betrug dieser Zeitraum lediglich zwei Jahre.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 16.12.2003 (IX R 46/02) das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil nach seiner Auffassung die ab 1999 geltende Neuregelung mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31.12.1998, bei denen die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen werden. Der BFH hält die Regelung über die Verlängerung der Spekulationsfrist durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 im EStG für verfassungswidrig, weil sie als unzulässige sog. unechte Rückwirkung gegen den Vertrauensschutz verstößt.

Die Regelung über die Spekulationsfrist in der alten Fassung (zwei Jahre) galt im Zeitpunkt der Anlagedisposition bereits seit 65 Jahren und bildete die Grundlage des Vertrauens. Da die übergangslose Neuregelung das Gebot des Vertrauensschutzes verletzt, ist der BFH der Auffassung, dass der Gesetzgeber gehalten ist, eine angemessene Übergangsregelung zu treffen. Er muss jedenfalls diejenigen Fälle in eine Übergangsregelung einbetten, in denen die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war und die Steuerpflichtigen nach altem Recht eine geschützte, gegen den (früheren) Steuerzugriff abgeschirmte Rechtsposition erlangt hatten.

Beim Bundesverfassungsgericht liegt nun, wenn es dem Vorlagebeschluss des BFH folgt, die Entscheidungskompetenz, die ab 1999 für die Veräußerung privater Grundstücke geltende einkommensteuerliche Regelung wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz für nichtig oder für mit dem Grundgesetz unvereinbar zu erklären und dem Gesetzgeber ggf. einen Gestaltungsauftrag für eine verfassungskonforme Übergangsregelung zu erteilen.


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